Frühförderung

Kulturelle Unterschiede in der Frühförderung individueller Anlagen sind ein ausschlaggebender Faktor bei der Förderung individueller Anlagen und der sich daraus entwickelnder Motivation, Kreativität, Opferbereitschaft, des Unternehmergeistes und einer auf praktischen Erfahrungen beruhenden und daher realistischen Berufswahl.

Wenn auffallend viele ausländische Jugendliche (und auch immer mehr deutsche Jugendliche) mit der Berufswahl Probleme haben, dann liegt das nicht - wie oft behauptet wird - an einer mangelnden Beherrschung der deutschen Sprache. Es sind die prägenden und fördernden Faktoren, die kulturell bedingt sehr unterschiedlich sind. Dabei spielt das frühe Spiel des Kindes und den sich daraus herauskristallisierenden Interessengebiete, denen man leidenschaftlich und amateurhaft (kommt von Liebe) nachgeht, eine wesentliche Rolle.

Dies ist ein altbekanntes, aber immer mehr vernachlässigtes Phänomen - mit einer modernen Ausnahme: Der Computer. Kinder zeigen den sog. Pädagogen, wie man's macht, ohne daß diese die entsprechenden Konsequenzen ziehen würden - sie müssen ja schließlich entweder erst mal an ihre eigene Existenz denken, oder sie sind unfähig darüber nachzudenken, wie individuelle Potentiale systematisch gefördert werden könnten, da sie nur mit der schulischen Gießkanne umzugehen gelernt haben. Eine der vielen kulturellen Betriebsblindheiten in unserer deutschen Leitkultur. Da kann man nur zitieren: "Wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder..."

Deutschland hat doch die alte Tradition der besten und pädagogisch wertvollsten Spielmittel. Aber die Firma Märklin hat ihre Baukästen nicht modernisiert und kürzlich die Produktion eingestellt. Und die zum Export der deutschen Kultur beauftragten Goethe-Institute geben sich nicht gerne mit dem banalem Kinderkram ab - mit einer Ausnahme 1989 in Abidjan.

Neulich erschien aber ein Stern am dusteren pädagogischen Himmel: Die Stuttgarter Akademie für Technikfolgenabschätzung stellte fest, daß wir mit unseren Kindern zu wenig mit technischen Spielsachen spielen und daß dazu die Väter fehlen würden. Da die Politik aber da nichts machen könne solle dies nun in den Kindergärten (Stuttgarter Staatsminister Palmer bei der Eröffnung des Freiburger Science Festivals) und in den Schulen geschehen.

Am Beispiel des leidigen PC's aber sollten wir doch lernen: Seit wie vielen Jahren - inzwischen bereits Generationen - wissen wir, wie wichtig die Beherrschung des PC's ist? Meine Tochter macht gerade das ABI. Keine einzige Stunde in 13 Schuljahren war sie am PC. Und da lese ich heute eine interessante Zeitungsmeldung (Badische Zeitung): Der Präsident des Städtetages Bernd Doll, warnt vor Laptops, da sie sich in der Schule als Wurfgeschosse eignen könnten....... Also auch keine Stühle und Blumentöpfe mehr? Das spart viel Geld! Recht hat er! Denn die Kinder raffen's auch ohne das schulische Wurfgeschoß - und den Rest (Rechnen, Schreiben und Lesen etc.), bei intelligenter Organisation, ebenso. Kinder könnten mit Indern (etc.) - weltweit vernetzt (nicht nur per Internet) - ihre individuellen Interessen mit wenigen Tips (Tip-Pädagogik) weiterentwickeln.

Das Internationale Institut zur Entwicklungsförderung der Jugend, das ich dazu 1986 gründete, hat dies zum Ziel.

Das Konzept "Internationales Selbst-Lern-Netz" kurz: "INSEL-Netz" ist das Resultat 27jährigen Ringens um ein Bildungssystem, welches zur vollen Entfaltung des individuellen Begabungsspektrums führen soll. Die Idee dazu hatte ich 1973 in der Elfenbeinküste: Kinder zeigten im Spiel ihre Phantasie, Kreativität und ihren Unternehmergeist. Nach dem Besuch der Schule war davon kaum noch etwas zu sehen!

Viel eher hatten die Kinder, die ohne oder mit geringster Schulbildung aufwuchsen, sich im informellen Sektor bereits eine einfache aber lukrative Existenzsicherung erarbeitet (Abdou Touré: Auf der Straße liegt die Phantasie). Dahinter steckt ein pädagogisch wertvolles Phänomen: Das Lernen im realen Leben! Dazu muß sich die Gesellschaft mit all ihren Strukturen wieder den Kindern - also ihrem Nachwuchs - öffnen! So, wie die Kinder früher auf dem Bauernhof, alles durch aktive Teilnahme lernten. Denn erst ausgrenzen und dann über die Ausbildungsfähigkeit Schulabgänger klagen ist paradox.

Nochmal zu meiner Tochter, die wie meine beiden Söhne, die den von der Bundesregierung zwar erlaubten, aber sträflichst vernachlässigten Zivildienst im Ausland nach §14b ZDG (in der Elfenbeinküste) machen will, sucht zur Finanzierung einen Job. In der Bewerbung schrieb sie "suche eine einfache Montagetätigkeit". Und das nach 13 Jahren teuerster Schulbildung! Auch sie wurde von dem "Nie-wieder-Phänomen", welches die Schule vielfach vermittelt, erfaßt. Nie wieder Mathe etc. Die Begründung dazu finden Sie ebenso in der Stuttgarter Studie. Wenden Sie sich dort an Prof. Zwick.

Zwängen wir doch unsere ausländischen Jugendlichen nicht auch noch in dieses typisch deutsche System, in dem Kreativität und Lebendigkeit als Störfaktor gilt. Versuchen wir - das habe ich bei Freiburger Sintis gelernt, Lernen lockerer, humorvoller, spielerischer, lebensnäher daher billiger, effektiver und somit intelligenter zu gestalten.

Forum Bildung, 06.11.2000